Mahnmal aargauisches Kelleramt

Neun als sogenannte Hexen bei lebendigem Leib verbrannte Frauen sowie fünf enthauptete und nachfolgend verbrannte Frauen (Dokumentation)

bearbeitet von Dr. Otto Sigg

Tatorte und Täter

Kantonskarte Zürich von Jos Murer (Ausschnitt)

Zürcher Kantonskarte von Jos Murer (Ausschnitt), 1566, also kurz vor dem ersten Höhepunkt der Verfolgung erstellt. Vorlage: Zentralbibliothek Zürich – Nachdem die Seite geladen wurde, können Sie den Mauszeiger ins Bild setzen um einen Teilbereich zu vergrößern.

1.1 – 1.4

Die vier Dorfgemeinden des Kelleramtes.
Diese zählten damals zusammen wohl nicht einmal 2000 Einwohner.
Das Kelleramt gehörte niedergerichtlich zur Stadt Bremgarten, hochgerichtlich-landesherrlich zur Stadt Zürich, die hier die Blutgerichtsbarkeit ausübte, entweder unmittelbar (dies in allen „Hexen“-Pozessen) oder durch ihren Landvogt auf Schloss Knonau. Oberwil gehörte aus der Sicht von Bremgarten zum Niederamt, aus zürcherisch-hochgerichtlicher Sicht jedoch zum Kelleramt.
Der Ursprung der Verfolgungen lag immer bei den dörflichen Nachbarn, bei der Dorfschaft, bei der Verwandtschaft. Da für das Kelleramt oft nur die nackten Todesurteile überliefert sind, ist hier dieser Aspekt wenig belegt. Für Agatha Huber von Unterlunkhofen liegt jedoch ein deutlicher Hinweis vor. Die Stadt Bremgarten schreibt 1580 nach Zürich, „die Bauern“ hätten nicht mehr die ordentliche Zeugeneinvernahme abwarten wollen, sondern hätten die Schweinehirtin Agatha eigenmächtig wegen in üblicher Weise vorgeworfener Schädigung von Mensch und Vieh gefangen genommen und nach Bremgarten verbracht.

1.1 Dorfgemeinde Arni/Opfer:

1.2 Dorfgemeinde Jonen/Opfer:

1.3 Dorfgemeinde Oberwil/Opfer:

1.4 Dorfgemeinde Unterlunkhofen/Opfer:

2. Stadt Bremgarten

Wie gesagt, besass diese Kleinstadt mit damals wohl gut 1000 Einwohnern in den genannten Dorfgemeinden die niedere Gerichtsbarkeit. Im unmittelbaren Stadtbann verfügte sie über die Hochgerichtsbarkeit. Im Rahmen dieses Rechts richtete sie in eigener Kompetenz im Stadtbann weit über ein Dutzend Menschen wegen einschlägiger Vorwürfe hin. Bremgarten hatte deshalb immer auch ein offenes Ohr, wenn ihre auswärtigen Gerichtsuntertanen im Kelleramt zur Verfolgung ansetzten. Hin und wieder wurden diese Opfer vor der Überführung nach Zürich in Bremgarten festgehalten und ersten Einvernahmen und Folterungen unterworfen. Diese scheinen ungewöhnlich hart gewesen zu sein. Die 1621 in Bremgarten inhaftierte Kathrina Hartmann von Oberwil hatte eigener Aussage gemäss am 3. Tag ihrer Inhaftierung alles gestanden, was später zur Verurteilung führen sollte, wurde aber trotzdem weiter gemartert, und zwar derart, dass sie die Wächter darum bat, sie nach Zürich als „der höheren Obrigkeit“ zu überstellen. Die beiden Wächter hätten zudem, so die nicht zu bezweifelnde Aussage von Kathrina, während der gut einmonatigen Gefangenschaft in Bremgarten es sich mit Trinken und Essen auf ihre, Kathrinas, Kosten gut gehen lassen, während man ihr Hunger und Mangel gelassen habe.

3. Landvogtei-Sitz Knonau

Die Stadt Zürich hatte im frühen 16. Jahrhundert verschiedene landesherrliche Rechte jenseits der Albiskette zur Verwaltungseinheit einer Landvogtei mit Sitz des Landvogts auf Schloss Knonau eingerichtet. Zur Landvogtei gehörte – wie oben aufgeführt – auch das Kelleramt. In einigen Fällen, die den heute zürcherischen Teil der Landvogtei betreffen, spielte der Landvogt eine führende Rolle in den Verfolgungen. Für das Kelleramt ist die Rolle des Landvogts nicht belegt. Allgemein geht aus den Akten hervor, dass Landvögte, auch die zu Knonau, sich durchaus aktiv in die Verfolgung einschalteten. Sie konnten damit den Untertanen in den Dörfern wie auch der Obrigkeit in Zürich zu Gefallen sein.

4. Die Reichs- und Zunftsstadt Zürich

Der kleine Rat der Stadt Zürich, 48-köpfig, grosso modo von den Zünften gewählt, definierte sich als gottgewollte Obrigkeit in Stadt und Land Zürich. Die damals um die 5000 Menschen zählende Stadt herrschte über das Gebiet ungefähr des heutigen Kantons Zürich mit um das Jahr 1600 rund 75.000 Einwohnern, einschliesslich Kleinterritorien wie eben das heute aargauische Kelleramt.
Schien diesem Rat ein Opfer durch Information und Druck der Dorfbehörden, des Untervogts, des Obervogts, des Landvogts verdächtig genug, musste er nach dem Verständnis der Zeit handeln und „solche Leute ab diesem Erdreich tun und das Böse ausroden und das Gute pflanzen“. Die Opfer kamen wegen angeblich verübten Schadenzaubers an Mensch und Vieh, Liebeszaubers sowie Wetterzaubers (erntevernichtende Froste, Gewitter u.a.m.) in den Wellenberg, dem Zürcher Gefängnisturm. Hier dienten diese angeblichen Vergehen als Einstieg, um das für die Obrigkeit Relevante heraus zu pressen und zu foltern: Körperliche Vereinigung der Beschuldigten mit dem bösen Geist und damit verbunden Gottesverleugnung.
Die solcher, angeblicher Tatbestände überführten Personen wurden durch das Feuer gerichtet, zumeist bei lebendigem Leib, im 17. Jahrhundert oft, aber noch lange nicht immer, durch Verbrennen nach zuvor erfolgter Enthauptung.
Das muss heute klar als Justizmord deklariert werden. Nur schon deshalb, weil zu jeder Zeit das menschliche Gewissen wusste, dass solches Töten unrecht ist. Es können mehr als eine Handvoll von Zeitgenossen, ihres Zeichens evangelische und katholische Geistliche, genannt werden, die sich gegen diese Justizmorde stellten.

Kantonskarte Zürich von Jos Murer (Ausschnitt)

Zürcher Kantonskarte von Jos Murer (Ausschnitt), 1566, also kurz vor dem ersten Höhepunkt der Verfolgung erstellt. Vorlage: Zentralbibliothek Zürich – Nachdem die Seite geladen wurde, können Sie den Mauszeiger ins Bild setzen um einen Teilbereich zu vergrößern.

4.1 Der Wellenberg-Turm:
Untersuchungsgefängnis und Folterkammer

4.2 Das Rathaus

Hier verhandelte der kleine Rat das Schicksal der Angeklagten. Zumeist zwei seiner Mitglieder wirkten als Untersuchungsrichter im Wellenberg, berichteten im Rathaus mehrmals wöchentlich über Verhöre, Folter und sog. Geständnisse und liessen sich umgekehrt vom Plenum Instruktionen für Steigerung der Folter erteilen etc.

4.3

In dieser Gegend, auf der Kiesbank der Sihl bei der Sihlbrücke zu St. Jakob hin, wurde die Todesstrafe durch Verbrennen vollzogen.

4.4 Das Grossmünster

Sitz der Führung der durch Ulrich Zwingli reformierten Zürcher Landeskirche. Hier fungierten diejenigen, die wussten, was gut und was böse ist. Als unmittelbare Justizmörder wirkten zwar die weltlichen Räte, Erwartung zur Tat und Ideologie jedoch kamen von der christlichen Kirche.